Erfahrungsberichte - England

Austauschorganisation Partnership

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Reisebericht von Tobias

Gastland: England Austauschjahr: 2018/2019

Hallo, mein Name ist Tobias und ich habe von 2018 bis 2019 für knapp 10 Monate in Gosport in Südengland gelebt. Nach meiner Bewerbung für einen Austausch im Winter 2017 und einem Vorbereitungsseminar ging es im September 2018 los. Von Hannover flog ich ca. 90 Minuten bis nach Heathrow in London. Von dort aus ging es dann mit dem Bus weiter nach Gosport, was ca. eine 30 minütige Autofahrt von Southampton entfernt ist. Dort warteten bereits mein Gastbruder und meine Gastmutter. Bei ihnen sollte ich nun für die nächsten knapp zehn Monate leben, essen, schlafen, mich wohlfühlen, aber auch mal bei der Gartenarbeit oder beim Kochen helfen, ein Jahr als ganz normaler englischer Schüler also.

Bereits in den ersten Stunden und darauffolgenden Tagen merkte ich, dass das bei meiner Gastfamilie überhaupt kein Problem werden würde. Meine Gastmutter Suzi und ich haben uns von Anfang an sehr gut verstanden, sowohl sprachlich als auch menschlich. Bereits vor über 15 Jahren hatte sie begonnen Gastschüler aufzunehmen und war somit schon sehr erfahren. Suzi hatte immer ein offenes Ohr für mich und hat sich auch neben ihren Aufgaben als Gastmutter auch um viele andere Dinge für mich gekümmert. Fragen bei den Hausaufgaben oder beispielsweise zum Bus- oder Bahnsystem in England beantwortete sie mir alle.

Bei allen anderen Fragen konnte ich mich aber auch immer an meine Austauschorganisation aus Deutschland oder die Partnerorganisation aus England wenden. Sowohl mein „E-Mail-Buddy“, dem ich alle zwei Monate einen Bericht über mein Leben schrieb, als auch mein „local-coordinator“, die mich auch alle zwei Monate in meiner Schule besuchte, waren beide super freundlich, immer hilfsbereit und haben schnell alle Fragen geklärt, die ich vor während und auch nach meinem Englandaufenthalt hatte. Obwohl ich hunderte Kilometer von zu Hause weg war, habe ich mich nie verloren gefühlt. Irgendwo hatte ich zu jeder Zeit einen Ansprechpartnerin, an die/den ich mich wenden konnte.

Da Suzi bereits durch E-Mails, die wir uns geschrieben hatten, wusste, dass ich Klavier und Orgel spiele, stellte sie mich bereits in der ersten Woche einer Klavierlehrerin vor, die sie durch ihren Beruf als „environmental teacher“ (also als „Umweltlehrerin“) kannte. Diese gab mir für die 10 Monate Klavierunterricht und ich konnte eines der Klaviere in meinem College zum Üben benutzen. Die Klavierlehrerin konnte mich wiederum einem Orgellehrer vorstellen, der mir dann auch Orgelunterricht geben konnte. Die Orgel in der Holy Trinity Church in Gosport (in der ich Unterricht hatte) hatte zudem einst Georg Friedrich Händel gehört und wurde erst vor kurzem restauriert. Darauf waren die Kirchenmitglieder und vor allem mein Orgellehrer sehr stolz und für mich war es eine besondere Ehre an solch einem alten und vor allem noch so gut erhaltenen Instrument zu spielen.

In den Ferien oder an Wochenenden organisierte Suzi außerdem immer wieder Ausflüge zu ihrer Familie, Freunden oder zu Sehenswürdigkeiten und Städten in England. Dadurch bin ich in meiner Zeit in England ganz schön herum gekommen: Wir fuhren nach Hastings und in das benachbarte Battle, in dem 1066 die Normannen die Angelsachsen schlugen. In der Nähe von Sheffield besuchten wir eine von Suzis Freundinnen und später auch den Weihnachtsmarkt in Portsmouth. Mit unseren Nachbarn fuhr ich zwei Mal in das Old Trafford nach Manchester, um mir dort ein Premier-League Spiel anzusehen. Außerdem fuhren Suzi und ich mit einer Fähre auf die Isle of Wight und besuchten ihre dortige Verwandtschaft und fuhren auch zwei Mal in das Theater in Southampton, um uns unter anderem Macbeth anzugucken. Dazu kamen noch mehrere Kurzausflüge nach London, sowie einer nach Brighton, Bournemouth und einer nach Winchester. Da Suzi angefangen hatte Französisch zu lernen, nahm sie mich sogar auf einen Wochenendtrip nach Paris mit, was ziemlich verrückt war. Mein Orgellehrer lud mich außerdem für eine Woche zu sich nach Hause in Warwick in der Nähe von Birmingham ein, zeigte mir das dortige Royal Birmingham Conservatoire und stellte mir in der Oxford Univercity einen seiner ehemaligen Schüler vor.

Mein absolutes Highlight war aber ein Besuch in London, mit dem wir Suzis schon ausgezogene Tochter überraschen wollten. Zunächst fuhren wir gemeinsam in die Innenstadt, gingen an der Themse spazieren und aßen etwas. Danach fuhren wir in das Milestone, ein 5-Sterne Hotel, in dem Suzis Schwager Hotelmanager war. Somit konnten wir dort als Gäste des Managers essen und uns Umziehen, denn als nächstes wurden wir in die Royal Albert Hall gefahren, eine riesige Konzert- und Theaterhalle, für welche wir Karten hatten. Dort angekommen setzten wir uns in die Loge, in der wir zur Überraschung aller saßen und schauten uns die Show Totem von Cirque du soleil an. Das war sowohl für Suzis Tochter als auch für mich ein unvergesslicher Tag.

In England musste ich aber natürlich auch zur Schule gehen, was in meinem Fall ein College war. Ich würde es mit einer riesigen Oberstufe vergleichen, die allerdings schon stärker auf die Universität vorbereitet. Mein Stundenplan bestand zwar nur aus drei Fächern, Film Studies, Photography, Psychology und Fußball, allerdings wurde jedes jeweils dreimal pro Woche unterrichtet und dadurch gab es auch dementsprechend viele Hausaufgaben auf. Viele Dinge musste man sich selbst zu Hause erarbeiten und oft gab es auch Projekte über mehrere Unterrichtseinheiten. Dadurch dass wir jedes Fach so oft hatten, konnte man aber natürlich auch in den Stunden viel intensiver auf jedes Thema eingehen und die Hintergründe detaillierter besprechen als in Deutschland. Außerdem dürfen sich die Schüler in England die Fächer, die sie im College belegen, selber aussuchen, wodurch auch die Stunden mehr Spaß machten. Jeder in meinen Kursen war einfach super motiviert mehr zu lernen und alle interessierten sich für behandelten Themen.

In Psychologie schauten wir zum Beispiel auf 20 Studien aus den unterschiedlichsten Themengebieten, Zeiten und auch Größen. Wir betrachteten die Hintergründe der Studien, bewerteten diese auf Stichhaltigkeit und Verlässlichkeit, prüften ihren Nutzen für die Allgemeinheit und betrachteten die ethischen Bedenklichkeiten. In Fotografie hatten wir hingegen meistens eine größere Aufgabe über mehrere Wochen und durften sehr selbstständig arbeiten. In erster Linie war das natürlich das Fotografieren selbst, dabei sollten wir aber auch Künstler als Inspirationsquelle angeben, uns teilweise an bestimmten Werken orientieren und natürlich auch unsere und andere Fotografien analysieren.

Am meisten Spaß hatte ich jedoch mit Film studies, wobei wir im Unterricht sowohl praktisch als auch theoretisch in die Filmwelt abtauchten und diese näher beleuchteten. Dies schloss sowohl das Filmen mehrerer Kurzfilme, als auch das Analysieren von Hollywood-, sowie Indie-Filmen und einzelner Szenen aus diesen ein. Der Film eines Mitschülers, bei dem ich als Protagonist mitgewirkt habe, sorgte dabei für besonderes Furore und wurde sogar vor ein paar Monaten in London auf einem Film-Festival gezeigt.

Auf diese Weise England für 10 Monate zu erkunden und kennenzulernen war für mich wirklich ein wahr gewordener Traum. England als Gastland war aber auch wie für mich gemacht: In fast allen täglichen wie auch besonderen Begebenheiten der Engländer steckt Tradition. Vom „English breakfast“ über die Weihnachtsansprache der Queen oder einfachen Familientraditionen gab es immer neue und interessante Traditionen, bei denen ich immer Spaß hatte ein Teil von zu sein. In diesem Zusammenhang spielt natürlich die Geschichte ebenfalls eine wichtige Rolle, denn die Engländer sind verrückt nach ihrer Geschichte. Überall gibt es Museen oder Ruinen alter Burgen und überall findet man Menschen, welche die Geschichte dieser Orte mit Leidenschaft wiederbeleben. Auch der berühmte, etwas eigene, britische Humor trifft voll meinen Geschmack, genauso wie das Essen, was viele vielleicht als gewöhnungsbedürftig ansehen.

Die 10 Monate in England gehörten definitiv zu einigen der besten, die ich je erlebt habe und haben mich stark geprägt. Neben den Englischkenntnissen, die sich natürlich ebenfalls immens verbessert haben, konnte ich auch viele gute Freundschaften und Erfahrungen mitnehmen, die sich, vor allem so früh im Leben, nicht jedem bieten. Ich würde persönlich sagen, dass ich mit offeneren Augen und Ohren durch mein Leben gehe. Das Fernweh hat mich nach diesem ersten längeren Auslandsaufenthalt allerdings mehr denn je gepackt und ich hoffe, mir bietet sich vielleicht auch in Zukunft die Möglichkeit an ähnlichen Projekten teilzunehmen, um wieder Ausland zu leben.

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